Albrecht Dürer (1471 Nürnberg - 1528 Nürnberg)
"Maria mit dem liegenden Kind mit der Birnenschnitte" (Wien, 1512)
Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, Inv. Nr. 848

Albrecht Dürer führte an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert die deutsche Kunst aus provinzieller Beschränktheit zu internationaler Bedeutung. Als Künstlerpersönlichkeit steht er damit gleichberechtigt neben seinen italienischen Zeitgenossen Leonardo und Raffael, Bellini und Giorgione, den Schöpfern der Hochrenaissance und Vertretern einer neuen malerischen Form. Er verband die Expressivität der spätgotischen deutschen Malerei seiner Zeit mit der klassischen Sicherheit und Formenstrenge von Humanismus und Renaissance, die er durch seine beiden Reisen nach Italien kennenlernte. Er wurde damit zum Träger eines neuen, für die Zukunft richtungsweisenden Künstlertums, das sich aus handwerklicher Gebundenheit in die Sphäre der humanistisch Gebildeten erhebt.

Nicht erst spätere Kunstliebhaber, sondern bereits Dürers Zeitgenossen schätzten seine Bedeutung als Zeichner und Graphiker höher ein als die als Maler. Der Künstler selbst fühlte, daß er - vor allem von seinen italienischen Kollegen - als Maler nicht genügend gewürdigt werde und verlieh dieser Empfindung in einem Brief aus dem Jahre 1506 an seinen Humanistenfreund Willibald Pirckheimer aus Venedig Ausdruck, in dem er anläßlich der Fertigstellung des “Rosenkranzbildes”, seines ehrgeizigen Hauptwerkes der 2. italienischen Reise, schrieb, daß er damit endlich die italienischen Maler zum Schweigen gebracht hätte, die meinten, als Kupferstecher wäre er gut, aber als Maler wüßte er nicht mit Farben umzugehen.

Wie kaum ein anderes Werk Dürers läßt das Bild der Madonna mit der Birnenschnitte aus der Wiener Gemäldegalerie die unterschiedlichen Wurzeln seiner Kunst erkennen, denen verschiedene Arbeitsweisen entsprechen. Niederländische und italienische Vorbilder sind miteinander kombiniert, eine in Ruhe verharrende und süß lächelnde, an die Skulpturen Nicolaus Gerhaert van Leyden erinnnernde Maria ist mit einem heftig bewegten, beinahe michelangelesken Jesuskind verbunden. Dürers ureigenster zeichnerischer, von der konturierenden Linie her bestimmter Formensprache, die er virtuos beherrscht, ist eine räumlich und dreidimensional angestrengte, in ihrer plastischen Licht- und Schattenwirkung beinahe übertrieben modellierte Wiedergabe des Körpers gegenübergestellt.

Dieser Kombination von nordischen und italienischen Formvorbildern entspricht die unterschiedliche malerische Durchführung von Maria und Kind, dem üblichen Aufbau der Malschichten im Bereich der Maria steht eine durch stärkere Verwendung von Bleiweiß erzielte dichtere Malerei mit bemühter Modellierung beim Jesusknaben gegenüber.

Karl Schütz