KONZERT-ZYKLUS 2000-2001
2. Abend (26. Oktober 2000)

Eduard Melkus
Liebe Musik- und Kunstfreunde!

Auf das Fehlen volkstümlicher Marienlieder in dieser Zeit wurde in der gesprochenen Einführung schon hingewiesen.

Nach dem als Beispiel einer früheren Periode gesungenen, fast volkstümlichen Satz des "Ave mater" von Oswald von Wolkenstein folgen die vom gregorianischen Choral geprägten Sätze der Dürer Zeitgenossen:

Schon die Intonatio des "Magnificat" von Finck führt in die Gregorianik ein und in den weiteren Abschnitten ist fast durchwegs die Oberstimme als Cantus firmus von der Melodie des gregorianischen Chorals bestimmt, die zuweilen in den Unterstimmen imitiert wird. Die Verse des Magnificat werden in kleinere Sektionen unterteilt, wie es dem Stil der niederländischen Motette dieser Zeit entspricht.

Der Satz von Hofhaimer ist leider nur in einer Instrumentalen Version erhalten. Hier ist der Cantus fast durchwegs im Baß zu hören. Besonders interessant die auffallende Tonfolge im Beginn zwischen beiden Oberstimmen: Diese ungewöhnliche Spannung von Tonika-Quinte- Septime ist ebenfalls dem damals für Marienfeste üblichen Gregorianischen Offizium entnommen. Wir hören sie im folgenden Satz von Isaac "Rorate" als Intonatio.

Die Sätze von Isaac sind in seinem großen Alterswerk "Choralis Constantinum" entnommen, das erst nach seinem Tod von seinem Schüler Ludwig Senfl vollendet und veröffentlicht wurde. Es enthält Kompositionen zum Offizium aller Kirchenfeste des Jahres. Die hier aufgeführten Werke entstammen aus drei Marien-Festen, die alle mit der schon erwähnten charakteristischen Intonatio beginnen, mit der wir hier das "Rorate" einleiten Dieser Satz enthält in seinem Schluß ein selten so deutlich zu hörendes beispielt des "Fauxbourdon": Paralelle Sextakkord-Folgen, auf denen die erstmals wirklich akkordisch empfundene Harmonik der Burgundischen Schule basiert: Die Einführung der "Dritten Dimension" - nach Melodie und Rythmus - vergleichbar vielleicht der Dritten Dimension in der Bildenden Kunst: der Perspektive.´ Alle diese Teile sind von der Melodie des Gregorianischen Chorals bestimmt - größtenteils in der Oberstimme, teils als Cantus firmus, teils mit ornamentaler Ausschmückung.

Die Besetzung der Werke entspricht dem intimen, fast häuslichen Charakter von Dürers "Blauer Madonna": eine Singstimme, drei Streichinstrumente und eine kleine Flöte. Die Mitwirkung von Frauen als Sängerinnen - zumindest im kleinen Rahmen - ist bewiesen: Erinnern wir uns nur an das bekannte Bild der drei musizierenden Frauen des Meisters der weiblichen Halbfiguren (in den Harrach-Sammlungen). Die Violinfamilie war seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Entstehen (genaue Darstellungen bei Perugino, Raffael, Fra Bartolomeo u.a. beweisen es) und gelangte um 1545 zu ihrer Vollendung Für Aufführungen im Liturgischen Rahmen ist natürlich mit entsprechender größerer Besetzung zu rechnen: mehrere Sänger, Streich- Blas- und Zupfinstrumente gemischt, oder Abschnittsweise in Klanggruppen einander gegenübergestellt. (Denken wir an die Musikergruppen im "Triumphzug" Maximilians I.!) Die Besetzungen waren sehr unterschiedlich und den jeweiligen Örtlichkeiten und Möglichkeiten angepaßt.

Zu dem Fünften Brandenburgischen Konzert von Bach ein Hinweis auf die merkwürdige überlange Kadenz im 1. Satz, die in gedrängter Form den Ablauf des ganzen Satzes noch einmal zusammenfaßt: Der große Geiger Pietro Locatelli (1695 - 1764) veröffentlichte 1733 in Amsterdam 12 Violinkonzerte op.3, in dem wir ebensolche lange und hochvirtuose Kadenzen finden, die er "Capriccio" nennt: Offensichtlich waren diese langen Kadenzen bereits Anfang des 18.Jahrhunderts eine typische Virtuosen-Manier, die Bach hier ins Cembalo-Konzert einführte. Im langsamen Satz bilden sich die drei Soloinstrumente ihre eigenen "Tutti"- Abschnitte, aus denen sich jeweils die Solopassagen herauslösen; im letzten Satz verlegt Bach den Beginn statt des Vivaldischen Tutti in ein Fugato der Soloinstrumente, in das erst nach 28 Takten die Tutti-Instrumente einfallen.

Eduard Melkus

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