Rembrandt van Rijn (Leiden 1606 - 1669 Amsterdam)
"Großes Selbstbildnis" (Wien, 1652)
Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, Inv. Nr. 411

Kein anderer Künstler hat im Lauf seines Lebens so viele Selbstbildnisse gemalt wie Rembrandt, beginnend mit den Porträts seiner Jugendjahre als Zwanzigjähriger, als er daran ging, sich in seiner Heimatstadt Leiden als Künstler einzurichten, bis zu den mehr als vierzig Jahre später entstandenen Bildnissen aus den letzten Lebensjahren in Amsterdam, die ihn als nachdenklichen, aber auch lachenden Alten zeigen. Innerhalb seines großen malerischen Werks nehmen die Selbstbildnisse eine besondere Position ein, Liebhaber der Kunst Rembrandts ließen sich daher dazu verleiten, in allen diesen Bildern tiefsinnige Versuche des Künstlers zu sehen, sein eigenes Leben zu deuten und seine Gefühlswelt zu analysieren.

Doch diese Bilder hatten auch andere Funktionen, wie wäre es sonst zu erklären, daß so viele Selbstbildnisse gar nicht von Rembrandt selbst, sondern von seinen zahlreichen Schülern stammen. Zum Teil liegt es daran, daß Rembrandt schon zu seinen eigenen Lebzeiten so berühmt war, daß es eine Nachfrage nach seinem Bildnis gab. Nicht alle Selbstbildnisse sind daher vom Künstler nur für sich selbst gemalt, sondern viele auch für den zeitgenössischen Kunstmarkt.

Das große Wiener Selbstbildnis von 1652 nimmt in mehrfacher Hinsicht unter Rembrandts Selbstporträts eine Sonderstellung ein. Nicht nur daß es, zur Gänze eigenhändig und von höchster malerischer Qualität, sozusagen ein Referenzwerk darstellt, an dem andere Bilder gemessen werden können, entstand es nach einigen Jahren Pause, in denen Rembrandt keine Selbstbildnisse gemalt hatte. Es unterscheidet sich auch deutlich von früheren Werken in der Art, wie sich Rembrandt selbst darstellt.

Die Arme in die Seite gestützt, steht er frontal dem Betrachter gegenüber, den er mit selbstbewußtem, ein wenig herausforderndem Blick ansieht. Die Kleidung, die einen großen Teil des Bildes einnimmt und mit lockerem Pinselstrich aufgetragen ist, scheint ganz unauffällig, der Künstler legt keinen Wert darauf, durch besondere modische Eleganz den Beschauer zu beeindrucken. Es handelt sich um die alltägliche Kleidung, die Rembrandt bei der Arbeit trug, einen sogenannten tabbard, das ist ein weiter brauner Rock, der von einer Schärpe zusammengehalten wird, darunter ein schwarzes Wams mit Stehkragen. Auf einer gleichzeitig entstandenen Zeichnung hat sich Rembrandt in gleicher Haltung in derselben Kleidung dargestellt. Die Aufschrift gibt an, deß er so in seiner Malerwerkstatt gekleidet war. Auffallend anders ist nur die Kopfbedeckung. Während Rembrandt in der Zeichnung sich mit einem hohen Hut abgebildet hat, trägt er hier ein alterümliches schwarzes Barett mit Einschnitten, das der Mode des 16. Jahrhunderts entspricht. Dieses Barett, mit dem sich Rembrandt öfter à l'antique (wie es in alten Beschreibungen heißt) darstellte, wurde zu seinem förmlichen Markenzeichen. Als Atelierrequisit - wir wissen, daß Rembrandt historische Kleidungsstücke und alte Waffen sammelte, die er mit Vorliebe in seinen Bildern verwendete - verweist es auf niederländische Künstlerselbstbildnisse des 16. Jahrhunderts. Rembrandt wollte damit seine Verbundenheit mit der Kunst und den Künstlern der Vergangenheit zum Ausdruck bringen.

Karl Schütz