ALBRECHT DÜRER (Nürnberg 1471 – Nürnberg 1528)
Brustbild eines jungen unbekannten Mannes,
Rückseite: Altes Weib mit Geldbeutel (Allegorie der Vergänglichkeit)

Monogrammiert und 1507 datiert, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 849

>Albrecht Dürer ist zweimal nach Venedig gereist, das erste Mal am Beginn seiner künstlerischen Karriere 1494/95, das zweite Mal zu einem längeren Aufenthalt 1505 bis Anfang 1507, bei dem er vor allem der überragenden malerischen Kultur der venezianischen Meister, allen voran Giovanni Bellini, nacheiferte. Als Auftrag der deutschen Kaufmannschaft in Venedig entstand damals das – nur in stark beschädigten Zustand erhaltene - Rosenkranzfest (Prag, Nationalgalerie), wahrscheinlich der Höhepunkt von Dürers Tätigkeit als Maler. In keinem anderen Bild kam er dem Vorbild der venezianischen Malerei näher.

Der von Albrecht Dürer in unserem Bildnis Dargestellte ist nicht bekannt, die Deutung seiner Herkunft und seines gesellschaftlichen Umfelds hängt ganz wesentlich davon ab, ob man annimmt, daß das Bild am Ende von Dürers Aufenthalt in Venedig als eines der letzten dort gemalten Bilder zu Beginn des Jahres 1507 oder bereits nach seiner Rückkehr in Nürnberg, noch ganz unter dem Eindruck der Italienreise, entstanden sei. Meist wird eine Entstehung in Venedig angenommen und der Porträtierte dem Kreis der deutschen Kaufleute zugerechnet. Dagegen wurde angeführt, daß das Bild nicht wie die anderen Werke des zweiten italienischen Aufent-halts auf Pappel oder Rüster, sondern eine Lindenholztafel gemalt ist, was eher für eine Entstehung in Nürnberg nach der Rückkehr aus Italien spricht. Die Bildnisauffassung, wie die Feinheit und zugleich malerische Freiheit der malerischen Durchführung– man betrachte etwa die Darstellung des Pelzes - ist jedenfalls von den gleichzeitigen Werken der venezianischen Porträtmalerei geprägt.

Besonders auffällig und von allen anderen bekannten Porträts Dürers unterschieden ist die bemalte Rückseite, die ein altes Weib mit entblößter Brust und einem Geldsack zeigt, gegen Dürers sonstige Gewohnheit und abweichend von der Vorderseite des Bildes in breiter und flüssiger Technik improvisierend und ohne Vorzeichnung gemalt. Von allem, was er in der Zeit der zweiten Italienreise geschaffen hat,gleicht dieses Bild am meisten der Malweise der Venezianer, im besonderen Giorgione. Dürer führt an Vorder- und Rückseite des Porträts beispielhaft zwei verschiedene Malweisen vor, die er beide souverän beherrschte, einmal die präzise Feinmalerei, von ihm selbst als das zeitraubende und mühsam von der Hand gehende Kläubeln bezeichnet, zum anderen die Schnellmalerei, die seit der Kunsttheorie der Antike als Merkmal großer Könner in der Malerei angeführt wird. Dürer selbst hat diese zwei Arten der Malerei sehr wohl unterschieden, in dem er den prestigeträchtigen großen Auftrag des Rosenkranzfestes in seiner Signatur als Werk von fünf Monaten bezeichnete, das gleichzeitig entstandene und in seiner flüssigen, schnell hingestrichenen Malerei mit unserer Alten vergleichbare Bild mit Christus unter den Schriftgelehrten (Madrid, MuseoThyssen-Bornemisza) hingegen als opus quinque dierum, als Werk von fünf Tagen bezeichnet hat.

Bereits anläßlich der frühesten Erwähnung des Bildes in einem Inventar der kaiserlichen Galerie von wahrscheinlich 1619 wird die Figur als Allegorie des Geizes gedeutet. Früher hat sich daran fälschlich die anekdotische Ausschmückung gesponnen, Dürer hätte sich mit dieser Darstellung am geizigen Auftraggeber für die zu geringe Honorierung gerächt. Demgegenüber hat man mit Recht bemerkt, daß die Darstellung wohl nur im Einverständnis mit dem Auftraggeber entstehen konnte.Eine neuere und einleuchtendere Deutung der Alten als Sinnbild der Eitelkeit und Vergänglichkeit, als Vanitas, sah ein verwandtes Motiv in der im 16.Jahrhundert häufigen Darstellungen der “Ungleichen Paare“ Die Alte wäre damit ein Sinnbild der Verführung, eine Allegorie der Luxuria, der als Überbegriff die Vergänglichkeit und Eitelkeit alles Irdischen, die Vanitas, zugeordnet ist. Unterstützt wird die Deutung als Vanitas durch die Beziehung zu Giorgiones Gemälde La Vecchia (Venedig, Accademia), dessen Bedeutung als Vergänglichkeitsallegorie durch die Beischrift “col tempo” evident ist. Das Bild Giorgiones diente wahrscheinlich als auf Leinwand gemalte Porträtabdeckung und ist damit der Darstellung Dürers auch funktionell verwandt.

Aus dem doppelseitig bemalten Porträt hat man auf ein Gegenstück, einen heute verlorenenen Flügel eines Doppelbildnisses, geschlossen, und vermutet, daß das Frauenbildnis später hinzugefügt wurde, weil es nicht wie üblich rechts, sondern links zu stehen kam. Es wäre aber auch möglich, daß die zweite Tafel ein religiöses Thema, etwa eine Mariendarstellung zeigte. Jedenfalls war das Porträt nicht ein Bild, das man an die Wand hängen konnte, sondern das mit seinem Gegenstück mit einem Scharnier verbunden war und wie ein Buch aufgeklappt und wieder geschlossen werden konnte und wohl in einer Kassette aufbewahrt wurde.

Karl Schütz