HYACINTHE RIGAUD (Perpignan 1659 - 1743 Paris)
Philipp Ludwig Wenzel Graf von Sinzendorf (1671-1742)
1728, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 9871
(Schenkung Frau Bettina Looram-Rothschild 1999)

Obwohl als zweitgeborener Sohn für den geistlichen Stand bestimmt, schlug Sinzendorf nach dem Tod seines Bruders eine brillante öffentliche Karriere ein: Er wurde 1695 Reichshofrat, war von 1699 bis 1701 außerordentlicher Gesandter in Frankreich, wurde 1701 wirklicher geheimer Rat, 1702 kaiserlicher Bevollmächtigter in den Niederlanden, 1705 Oberster Hofkanzler, 1712 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies und 1721 Direktor der Orientalischen Handelskompanie.

Im Jahr 1728 nahm der 57-jährige kaiserliche Gesandte am Friedenskongress von Soissons teil. Während dieses Aufenthalts in Frankreich ließ sich Sinzendorf vom Hofmaler Hyacinthe Rigaud porträtieren. In diesem lebensgroßen Kniestück wird der eigentliche politische Anlass der Reise allerdings nicht aufgegriffen. Als würdiger Diplomat im kaiserlichen Dienst posiert Sinzendorf im Vliesornat selbstbewusst und von preziösem Stolz erfüllt vor einer Architekturkulisse. Über einem Talar aus scharlachrotem Satin trägt er den reich bestickten Ordensmantel aus karmesinfarbenem Samt. Das eigentliche Abzeichen des Ordens - das goldene Vlies - hängt über dem Festornat von der Collane (Ordenskette) herab. Die rechte Hand mit dem zum Ornat gehörigen "Chaperon" (ein barettartiger Hut mit langem breitem Band) ruht auf einem Postament, das ein in trompe-l'oeil-Manier wiedergegebenes Flachrelief aufweist. Zwei geflügelte Engelsköpfe blasen eine Flamme an, die einem Gefäß mit der Prägung des Familienwappens entsteigt.

Das Beiwerk von Säulen und Draperien, die repräsentative Prachtentfaltung und der dramatische Lichteinfall gehören zu den Markenzeichen der theatralisch-hochtrabenden Inszenierungen, für die Rigaud als Maler höfischer Paradebildnisse par excellence europaweit gerühmt wurde. Der Maler war bereits 69 Jahre alt, als er Graf Sinzendorf 1728 porträtierte. So scheint es kaum verwunderlich, dass dieser nicht der erste Diplomat im Dienste des Hauses Habsburg war, der Rigaud Modell stand. Dominik Andreas Graf Kaunitz (1697) sowie Graf Harrach (1698) etwa hatten es ihm bereits gleichgetan. Letzterer berichtet nicht ohne Stolz in seinem Tagebuch (1698), er würde bald dem Maler porträtsitzen: "in deme mich die meinigen öfters gefragt haben mich mahlen zu lassen, damit mein contrefait zur gedechtnuß in hauß verbleibe, habe ich mich endtlich resolvirt und heundt Vormittag den Rigaud, welcher vor etlichen monath den könig sehr wohl getrofen, zu sitzen; bin von halbe 10 Uhr biß 1 bey ihm gewesen, undt will ich sollte noch 2 mahl kommen."

In Porträtsitzungen hält Rigaud die Physiognomie seiner Auftraggeber fest; später ergänzt er die begonnenen Bildnisse mit Hilfe von Modellen, die für ihn posieren. Zu diesem Zweck lässt der Maler Originalgewänder samt allen zugehörigen Accessoires in sein Atelier schicken. Für das Porträt Sinzendorfs, dessen Akkuratesse insbesondere in der Kleiderdarstellung bestechend ist, stand Rigaud ein authentischer Vliesornat zur Verfügung (Perreau 2004, 105). Meisterhaft sind die bauschigen Stoffe, die Kontraste zwischen Farben und Texturen, tiefem Rot und strahlendem Weiß, schwerem Samt und leichter Seide dargestellt. Die Akribie der Wiedergabe ermöglicht es, die in Gold- und Silber gestickten Insignien des Ordens - Feuerstein, Feuereisen und Widderfell - sowie die Devise Karls des Kühnen "JE L'AY EMPRINS" ("Ich hab's gewagt") auf der breiten Bordüre des Ordensmantels wieder zu erkennen. Mit ähnlicher Präzision schildert Rigaud die Collane, deren aneinander gereihte Elemente (Feuerstein, Feuerstrahlen und Feuereisen) symbolisch für den Leitspruch des Ordensgründers Herzog Philipp des Guten stehen ("Ante ferit quam flamme micet" = "Zuvor der Schlag, dann glänzt die Flamme").

Sinzendorf nutzte seine Reise nach Frankreich 1728 über den Porträtauftrag an Rigaud hinaus auch dazu, vom Hofarchitekten Ludwigs XV. Robert de Cotte Pläne für sein mährisches Schloss Židlochovice/Seelowitz ausarbeiten zu lassen. Diese Aufträge eines kaiserlichen Gesandten im Dienste des Hauses Habsburg an französische Hofkünstler wie Rigaud und Cotte veranschaulichen beispielhaft die Rolle der Diplomatie als Vektor des künstlerischen Austauschs, der sich über Rivalitäten mit dem Land des Kriegsgegners hinwegzusetzen wusste.

Karl Schütz