PETER PAUL RUBENS (Antwerpen 1577 - 1640 Antwerpen)
"Das Venusfest (Das Fest der Venus Verticordia)"
Leinwand 217 x 350 cm, entstanden von ca. 1630 bis 1637
Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie

Die große Komposition von Rubens paraphrasiert ein Bild von Tizian, das seinerseits einen antiken Text illustriert. Der antike Schriftsteller Philostrat d. J. verfasste im 2. nachchristlichen Jahrhundert Eikones, eine Sammlung von 65 Beschreibungen von Bildern einer in Neapel befindlichen Pinakothek (es bleibt strittig, ob es sich um eine tatsächliche Galerie handelte oder die Beschreibungen imaginiert sind). Alfonso d'Este wählte daraus das Thema der "Liebesgötter", die Beschreibung eines Bildes mit Putten in einem Garten, die auf den Obstbäumen klettern und ernten, Kränze aus Blumen und Früchten flechten und aufspannen, und gab 1517 Tizian den Auftrag, dieses Bild zu malen, das 1519 vollendet war. Um 1600 befand sich das Bild im Palazzo Aldobrandini in Rom, wo es Rubens 1606/07 sah und kopierte. Diese Kopie befindet sich heute im Museum in Stockholm, das Bild von Tizian gelangte 1638 als Geschenk an König Philipp IV. nach Spanien und wird heute im Prado aufbewahrt.

Um 1630 griff Rubens das Thema noch einmal auf, weitete es aber zu einem inhaltlich neuen und komplexen Konzept aus. Wir sehen im Zentrum des Bildes die Statue der Venus, dem antiken Typus der Venus pudica, die ihre Blöße zu verhüllen sucht, entsprechend. Um sie herum am Boden und in der Luft tummelt sich ein Puttenreigen. Beim Standbild sind mehrere Frauen zu sehen, eine verbrennt in einem Dreifuß Weihrauch, die links stehende reinigt das Kultbild, eine fast Nackte hält einen Spiegel empor. Vom rechten Bildrand nähern sich zwei modisch gekleidete Frauen, die Puppen als Weihegaben heranbringen. Diese mit dem kultischen Dienst am Götterbild beschäftigten Frauen werden ergänzt von anderen Gruppen ekstatisch Tanzender. Rechts stürmt ein Bacchantenzug, von einem Satyr angeführt, dem Wald zu, links drei Paare, in Liebestänzen verschlungen, der Satyr hebt seine Partnerin, welche die Züge von Rubens' zweiter Gemahlin Hélène Fourment trägt, eine Raptusgruppe bildend, hoch.

Philipp Fehl hat das Thema als Fest der Venus Verticordia entschlüsselt, das Rubens der Beschreibung Ovids (Fasti IV, 133-192) folgend, geschildert und mit den Liebesgöttern Philostrats verbunden hat. Venus Verticordia wurde im römischen Festkalender am 1. April als Abwenderin ungeordneter und zügelloser Begierden gefeiert. Das Fest sollte die Sittenlosigkeit abwenden, zur Verehrung waren alle römischen Frauen, junge Mädchen, Bräute, Mütter, aber auch die Dirnen aufgerufen. Das Weihrauchopfer gilt der Fortuna Virilis, die den Umgang der Frauen mit Männern begünstigt.

Die in allen Teilen eigenhändige Arbeit am Bild erstreckte sich über mehrere Jahre und war mit zahlreichen kompositionellen Abänderungen verbunden. Sie begann um 1630 und dürfte bis 1637 gedauert haben.

Karl Schütz